Hier gibt’s exklusiv die Prolos-Rede zum revolutionären 1. Mai 2023 – in ungekürzter Version.
Leute, wir leben in beschissenen Zeiten. Wenn man den Medien Glauben schenkt, ist der Schulterschluss der Beherrschten mit den Herrfschenden und deren politischem Personal hierzulande weitgehend geglückt. Wer nicht mittun mag bei dieser neuen nationalen Gemeinschaft, wird auf eine Art und Weise diffamiert und verfolgt, wie das bis vor kurzem nicht vorstellbar war. Und um das zu erreichen muss man natürlich konsequent ausblenden, dass es widersprüchliche Interessen gibt zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten, aber auch zwischen kapitalistischen Staaten und zwischen Machtblöcken; „Werte“ sollen es nun sein, um die´s angeblich geht. Werte – geteilt von den Guten, abgelehnt von den Bösen. Eine einfache Weltsicht, nach der sich aber scheinbar viele wieder sehnen. Aber vielleicht sollte man den Medien auch weniger Glauben schenken und sich mit Kolleginnen, mit Nachbarn unterhalten, denn dann sieht die Lage gleich viel weniger düster aus.
Denn von welchen „Werten“ die Führungsmacht des Westens geleitet ist, zeigt sie ja schon immer deutlich. Etliche Kriege mit zig Millionen Toten, Regime Changes, Morde, Drohungen, Vertreibungen, Ausplünderungen, Folter, Terror, das Einsetzen von faschistischen Regimen und brutale Umweltzerstörung: Das ist die Realität, das ist der Alltag, den der Kapitalismus und seine hegemoniale Macht, die USA und ihre Verbündeten für die Mehrheit der Menschen auf der Welt bereit hält. Wer einzelne ihrer Verbrechen aufdeckt, darf im Gefängnis verrotten, wie Julian Assange, wird eingesperrt und muss um Leib und Leben fürchten, wie Chelsea Manning, oder wird ins Exil gezwungen, wie Edward Snowden.
Die Militärausgaben der USA belaufen sich auf 877 Milliarden Dollar pro Jahr. Das ist dreimal so viel für´s Militär wie in China, zehn mal so viel wie in Russland. Ob Vietnam, Libyen, Syrien, Jugoslawien, Afghanistan oder Irak: Es gibt etliche Beispiele für die Werte, die mit diesen Milliarden umgesetzt werden. Weltweit haben Menschen, die nicht komplett verblendet oder geschichtsvergessen sind, die westlichen Werte gut im Gedächtnis oder immer noch direkt vor Augen.
Oligarchen führen selbstverständlich Kriege. Selbstverständlich hat dabei unsere Klasse, das Proletariat, die Toten, das Kanonenfutter zu stellen.
Trotzdem konnte sich bei Teilen der Metropolenbevölkerung – auch in Deutschland – ein Glauben an ein irgendwie natürliches Recht des US-Blocks auf globale Hegemonie verankern und eine völlig irrationale Kriegsgeilheit. Manchen kann es offenbar gar nicht schnell genug gehen mit dem 3. Weltkrieg. Dass so ein Weltkrieg mit der atomaren Vernichtung einherginge, scheinen sie auszublenden oder in Kauf zu nehmen.
Derweilen legen westliche Politikerinnen und Politiker immer unverhohlener eine neokolonialistische Attitüde an den Tag, selbst der Weltmacht China gegenüber, was nur den Realitätsverlust unterstreicht.
Auch da, wo zur Zeit nicht Krieg herrscht, besteht der Kapitalismus aus Verbrechen und ist ein einziges Verbrechen.
Wir erleben gerade: Extreme Reallohnverluste, immer weitere Einschränkungen bürgerlicher Freiheiten, Umverteilung von unten nach oben. Das kann man auch so übersetzen: Die Ausbeutung wird gerade extrem intensiviert. Wir erleben ein mediales Bombardement mit immer gleicher Regierungspropaganda. Wo es früher politische Satire gab und manchmal halbwegs kritischen Journalismus, schreit uns jetzt die Stimme der NATO und des Neoliberalismus entgegen.
Und wir alle wissen: Wir brauchen dringend – auch hier bei uns – eine Bewegung, die eine Welt schafft, in der der Mensch endlich kein erniedrigtes Wesen mehr ist. Aber wie? Den so drängenden Aufgaben entgegen steht ja – zumindest hierzulande – das relative Elend der linken gesellschaftlichen Opposition. Wir haben uns lange eingerichtet in gemütlichen Echokammern, deren Winzigkeit wir nicht begreifen. Wir denken nur allzuoft, alle anderen hätten nur gefälligst unsere Weisheiten und schlauen Sprüche zu übernehmen. Wir predigen – und hören selten zu. Lasst uns doch ernsthaft versuchen, die oftmals selbst auferlegte Isolation zu durchbrechen – der Kollegin, dem Nachbarn zuzuhören und dabei Widersprüche auszuhalten. Denn wenn wir in der Debatte Uniformität wollen und Puritanismus fordern, dann haben wir jede Chance auf tatsächliche Bewegung bereits verspielt und jede Aussicht auf wirkliche gesellschaftliche Veränderung bereits aufgegeben. Tage wie der 1. Mai, an denen wir mit vielen Menschen auf der Straße sind, können entweder eine schöne Selbstvergewisserung sein und ein kleiner Lichtblick im tristen Alltag, oder wir können sie als Anreiz und Motivation sehen, den Kampf um eine bessere Welt in unseren Alltag zu tragen – immer und überall. Denn wann wäre die Zeit, den Arsch hochzukriegen, wenn nicht jetzt?
Also ja – wie ich eingangs sagte: Wir leben in beschissenen Zeiten, aber wir leben trotz allem auch in Zeiten, die hoffnungsfroh stimmen können. Weltweit stehen Menschen auf gegen das globale Verbrechen, das der Kapitalismus darstellt. Weltweit können wir sehen, dass viele der Putsche und Regime Changes, welche die USA und ihre Verbündeten versuchen zu orchestrieren, nicht funktionieren. Lateinamerika war noch vor kurzer Zeit durchsetzt von neoliberalen Regimen, die brav im Interesse der US-Oligarchen handelten. Heute sehen wir in Süd- und Mittelamerika fast nur noch Regierungen, die sich vom Imperium im Norden abwenden.
Und auch ganz in unserer Nähe – in Frankreich – zeigen uns die Kolleginnen und Kollegen, dass man sich nicht jede Dreistigkeit einer neoliberalen Regierung gefallen lassen muss.
Es ist aber egal, ob Menschen, die sich erheben, um eine lebenswerte Zukunft für die Menschheit zu erstreiten, nah oder fern sind. Wir können diesen Kampf nur gemeinsam gewinnen – und dafür steht unser Prinzip des proletarischen Internationalismus.
Wie´s weitergeht, liegt auch an uns. Also schließen wir uns zusammen, reihen wir uns ein in die weltweite Bewegung gegen die Zustände, die der Kapitalismus uns aufnötigt und bewegen wir uns. Gegen ihre Kriege, gegen ihre Krisen, gegen ihre Verbrechen, gegen Ausbeutung und Unterdrückung. Immer, überall. Dann ist es keine bloße Phrase, wenn wir rufen:
Hoch die internationale Solidarität!